Manu und ich haben in der letzten Woche etwas getan, was wir, glaube ich, noch niemals zuvor getan haben: Wir haben eine Netflix Serie innerhalb dieser Tage durch geschaut, und das, obwohl jede Folge etwa 60 Minuten Spielzeit hatte und Zombies eine zentrale Rolle innehatten. Ja, All Of Us Are Dead hat uns tatsächlich mal wieder an Netflix gefesselt, obwohl die letzten Filme und Serien der Plattform für uns eher maue Unterhaltung waren.
Und plötzlich bist du in der Apokalypse
Als All Of Us Are Dead auf Netflix launchte, dachte ich, dass wir hier eine coole Zombieserie bekommen würden. Vielleicht ein High School of the Dead nur mit weniger Sex und wackelnden Brüsten. Aus diesem Grund drängte ich Manu auch dazu, dass wir einen Blick hinein werfen. Mehr wollte ich eigentlich nicht, nur mal gucken – und plötzlich war es so ein bisschen wie ein Autounfall, an dem viele Gaffer/-innen auch nicht einfach nur vorbei fahren können.
All Of Us Are Dead erzählt die Geschichte eines Ausbruchs des Zombievirus‘ an einer koreanischen Schule in Hyusan. Alles beginnt ganz harmlos mit einem Hamster und einem Mädchen, das nur mal gucken möchte, ob das Tierchen süß ist. Ein Biss und wenige Minuten später sehen wir uns dem Zombieausbruch gegenüber. Die Geschichte dreht sich anschließend um mehrere Schüler und Schülerinnen der Oberschule, die gemeinsam versuchen, irgendwie zu überleben, während alles um sie herum zusammenbricht und niemand mehr sicher ist.
Und obwohl die Schule kein sicherer Ort ist, ist die Gruppe wenigstens so schlau, weiterhin dort zu bleiben, denn die Zombies verteilen sich ziemlich schnell über Hyusan und angrenzende Orte. Was also tun? All Of Us Are Dead ist dabei kein Anime, bei dem plötzlich alle zu mega guten Kämpfer/-innen mutieren. Der Großteil der Gruppe kann nicht mal kämpfen, sondern überlässt zwei Jungs den Kampf. Und das ist eine interessante Mischung, die mich zum Mitfiebern animierte, wie ich es schon lange nicht mehr und noch nie bei einer Netflix Serie tat.
So sanft wie das Erwachsenwerden
Ich habe lange darüber nachgedacht, warum ich die Serie so mochte und gerade zu Beginn immer wieder darauf drängte, weiter zu schauen: Die Charaktere waren für mich sehr nachvollziehbar und immer wieder wurde versucht, das schreckliche Szenario durch typische Gespräche von Jugendlichen aufzulockern. Einmal sitzt die Gruppe am Lagerfeuer und erzählt von der Familie, ein anderes Mal wird über die erste Liebe gesprochen. Gespräche, die aus unseren Augen belanglos und fast schon albern wirken, immerhin verweilen die Jugendlichen in einer Welt voller Zombies.
Und doch waren genau diese Gespräche die Punkte, die die Schülerinnen und Schüler für mich lebendig und charakterhaft gemacht haben. Es waren keine typischen Netflixhüllen, die austauschbar waren. Und auch wenn ich bis zum Schluss mir die Namen nicht von allen merken konnte, so hatte doch jede/-r seinen ganz eigenen Werdegang, der nachvollziehbar oder manchmal auch aus meinen Augen verdient war.
Doch so wie es diese sanften Schmetterlingsgespräche gab, so erwartete die Gruppe auch Verrat und Missgunst, ebenso wie Hoffnung und Liebe, doch in den meisten Fällen wurde sie mit dem Tod konfrontiert. Mit dem wandelnden Tod. Und gerade weil sich für mich so viel Mühe mit den Charakteren gegeben wurde, habe ich regelrecht darauf gedrängt, weiterzugucken. Ich wollte wissen, was mit den Jugendlichen passiert und ob sie es schaffen, denn schließlich hatte Netflix mehrere Möglichkeiten, die erste Staffel zu beenden.
Wer braucht schon Nahrung?
Viele Entscheidungen in All Of Us Are Dead mögen für uns als Außenstehende albern erscheinen und schon so als würden sie von vornherein scheitern. Andererseits zweifle ich daran, dass jemand von uns wirklich schon mal in einer Zombieapokalypse war und deswegen weiß, wie sier gehandelt hätte. Was ich jedoch wirklich nicht verstehe, ist der seltsame Überlebenswille.
Die Gruppe ist im Schulgebäude immer in Bewegung. Erst suchen wir einen ruhigen Ort zum Verstecken, dann wollen wir unbedingt aufs Dach, um gerettet zu werden. In der Zwischenzeit vergehen jedoch auch einige Tage, in denen es nur zufällig mal regnet, wodurch die Gruppe etwas Wasser findet, doch ansonsten scheint man sich keine Gedanken um fehlende Nahrung zu machen. Immer wieder kommt das Gespräch zwar mal auf was zu essen zurück, doch niemand macht sich auf die Suche nach Nahrung.
Vielleicht hatten sie einfach schlichtweg die Hoffnung, schneller gerettet zu werden, doch da schon so mehrfach Hubschrauber vorbei flogen und alles auch von der Schule aus aussichtslos aussah, hätte man hier wenigstens versuchen können, Lebensmittel zu finden. Das war jedoch zu keinem Zeitpunkt im Gespräch, und das ist für mich der einzige Knackpunkt am ganzen Konstrukt von All Of Us Are Dead, den ich wirklich schade finde.
Wie geht es weiter?
Beim Ende von der ersten Staffel von All Of Us Are Dead war Netflix eher vorsichtig. Vielleicht wollte erstmal geschaut werden, wie die Serie ankommt. Da Zombies aber immer noch hoch im Kurs sind und die Serie ziemlich häufig in den Top 10 momentan ist, war dieses unvorsichtige Ende unnötig. Im Gegensatz zu anderen ersten Staffeln wie beispielsweise bei Stranger Things hat Netflix nur ganz vorsichtig einige Erzählstränge geöffnet, die man in einer zweiten Staffel weiterspinnen könnte.
Und ganz heimlich hofft mein Herz, dass einer der Charaktere, der es in dieser ersten Staffel nicht geschafft hat, doch noch irgendwie am Leben oder am Tod ist, wie auch immer man das jetzt bezeichnen möchte. Aber ich weigere mich einzusehen, dass wir 12 Stunden mit ihm verbracht haben, ich bibberte und zitterte und mehrmals mit der Faust auf mein Knie schlug, um das wirklich als Ende zu akzeptieren. Dafür hat mich All Of Us Are Dead zu viele schreckliche Emotionen gekostet, zu oft hat sich mein Herz zusammengerissen, zu oft habe ich den Atem angehalten, dass ich diesen Teil nicht annehmen kann.
Auf jeden Fall hat Netflix vorsichtige Wege für ein zweite Staffel von All Of Us Are Dead geebnet, das im übrigen auf einen Webtoon mit 130 Episoden zurückgreift. Potential ist also wirklich da.
Aber eine Bitte habe ich noch Netflix: Bitte verkack die zweite Staffel nicht. Das würde ich dir elendig übel nehmen.