Watch Dogs: Legion (PS5) im Test – Ubisofts London, die nächste

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Watch Dogs: Legion hat mich bei der Ankündigung neugierig gemacht, vor allem dadurch, dass es in London angesiedelt ist. Nachdem ich vom zweiten Watch Dogs die Finger gelassen habe, war klar, dass ich diesen Ableger früher oder später ausprobieren würde. Vor einigen Wochen war es dann soweit durch ein Angebot im PSN – und mittlerweile habe ich so viel Zeit in London verbracht, dass ich bereit bin, im Test der PS5 Version ein Fazit zu ziehen.

Mal wieder London

Es ist schon das dritte Mal, dass ich Ubisofts Interpretation von London besuche – und um ehrlich zu sein, hat mich vor allem das Setting an Watch Dogs: Legion gereizt, wenngleich ich auch sehr gespannt war, wie sich das Gameplay seit dem ersten Teil weiterentwickelt hat und vor allem, wie das neue Rekrut*innensystem implementiert wurde.

Diese Spielwelt jedenfalls ist das bisher hübscheste digitale London, doch insgesamt überzeugt bin ich einmal wieder nur so halb – dieses Mal fehlt es London für mich an Leben, an Tiefe, ich finde nicht, dass man den Geist dieser Metropole hundertprozentig stimmig eingefangen hat. An vielen Ecken detailgetreu ist die Spielwelt von Watch Dogs: Legion, das muss ich sagen. Und ja, ich weiß nicht, wie die Auswirkungen von Albion auf die Bevölkerung sind – doch Millionen Bürger*innen leben in der dieser Stadt mit großer Wahrscheinlichkeit noch immer. Das bringt die Spielwelt aber nicht wirklich zum Ausdruck.

Hier hätte Ubisoft gern seine massenweisen NPCs platzieren können, doch da standen technische Limitierungen und das Rekrut*innensystem mit großer Wahrscheinlichkeit im Weg. Denn jede*r in London hat ja eine Hintergrundgeschichte. Akzeptiere ich aber die teils leeren Straßen und den müden Verkehr, dann fallen mir auch die Gebäude auf, die zwar von außen originalgetreu sind, im Inneren mir aber verwehrt bleiben, zumindest zum größten Teil. Doch die anderen Figuren, die gehen immer wieder in die Gebäude hinein – doch hinter den Türen ist nichts als Schwarz. Schade, irgendwie: Warum darf ich in die Klamottenläden nicht reingehen, mir keinen Burger kaufen, ja auch nicht in die Underground? Die Tube ist zwar das Schnellreisesystem, doch mehr als die Eingangsbereiche stehen mir von den Stationen nicht zur Verfügung. Dieses London in Watch Dogs: Legion ist oberflächlich hübsch und es macht im besten Fall Spaß, es zu erkunden, oder sogar in der Spielwelt spazieren zu gehen – doch es fehlt ihm an Tiefgang, an Substanz unter der Oberfläche.

Screenshots wie dieser zeigen, wie atmosphärisch dieses London sein kann.

Vielfalt im Team, Monotonie in den Aufgaben

Ähnlich ist es auch beim Gameplay: Watch Dogs: Legion hatte einige der besten Momente, die ich in den letzten Monaten in einem Videospiel hatte. An irgendeiner Ecke einer genialen Rekrutin über den Weg laufen und anschließend dafür kämpfen, sie bei DedSec begrüßen zu können – das sind tolle Aufgaben, die oft spontan entstehen. Einmal bin ich in einer dunklen Ecke einer Rekrutin begegnet, die mein Team wirklich bereichert hat, völlig überraschend, und konnte sie anschließend fürs Team gewinnen, eine coole Sache und eine Dynamik, die vor allem Ubisoft Welten nicht so oft aufweisen.

Umso ernüchternder ist es, wie oft man in Watch Dogs: Legion dasselbe macht: Vor allem Rekrutierungsmissionen laufen oft gleich ab, doch auch die Hauptaufträge ähneln sich immer wieder. Vor allem führt fast jede Aktivität erst mal in ein Sperrgebiet, in dem man schleichen oder kämpfen kann. Und nicht nur das: Bestimmte Orte besucht man für Rekrutierungs- und Nebenmissionen immer und immer wieder. Watch Dogs: Legion wird einfach nicht müde, immer wieder dieselben Orte für die Generierung von Aufträgen zu verwenden.

Das Gameplay selbst ist dabei nicht viel tiefer geworden als im ersten Watch Dogs: Zum einen ist Watch Dogs: Legion ein Deckungsshooter, ein ziemlich gewöhnlicher, würde ich sagen. Zum anderen ist Watch Dogs: Legion ein Hacker*innenabenteuer, doch so richtig mächtig fühle ich mich immer noch nicht. Zwar gibt es eine gewisse Vielfalt, und die eigenen Werkzeuge und Möglichkeiten können mit Technikpunkten aufgerüstet werden, doch das sorgt vor allem dafür, dass man immer mächtiger wird, ohne jetzt wirklich beeindruckende Dinge zu können. Vor allem in London selbst sind meine Möglichkeiten begrenzt: Warum kann ich keine Ampeln hacken, nur um ein offensichtliches Beispiel zu nennen?

Individualität wird großgeschrieben

Das Rekrut*innensystem ist klasse – doch vor allem dahingehend, was für ein Aufwand dahinter steckt, jeder Figur in dieser Welt eine Stimme zu verleihen. Wie oft mussten die Texte vertont werden, damit jeder NPC für jede Mission die passenden Sprüche parat hat? Ich mag es mir kaum vorstellen, wie das wirklich funktioniert hat.

Durchaus ist es auch so, dass man ein ziemlich vielfältiges Team erhält, doch es ist auch wahr, was absehbar war: Alle zu rekrutieren, würde gar keinen Sinn ergeben, denn letztlich gibt es nicht unendlich viele verschiedene Figuren. Nach ein paar Stunden ist es letztlich so, dass man immer wieder dieselben Eigenschafen in Watch Dogs: Legion liest und sich am Ende nur noch die Perlen herauspickt. Immer wieder fallen Leute auf, die es lohnt, an Bord zu holen – doch gefühlt hat man nach nicht mal der Hälfte der Story auch alles, was man brauchen kann.

Ich glaube, dass Potential in diesem System steckt, doch wenn ich mir ansehe, wie repetitiv das Ganze andere Teile von Watch Dogs: Legion macht und sich so viele Missionen einfach gleich anfühlen – dann weiß ich nicht, ob das wirklich der richtige Weg für die Reihe war. Vielfalt wird in London durchaus großgeschrieben – doch vor allem dadurch, dass ich meine Figuren völlig frei kleiden kann und in unzähligen Shops dafür einkaufen kann. Wirklich: Die Kleidung ist vielfältiger als das Gameplay.

Kleidung kann nach Belieben ausgesucht werden.

Von alten Ubisoft Fehlern

Und dann ist da noch die technische Seite, die mich erahnen lässt, wie viel Arbeit im Rekrut*innensystem steckt: Denn in Watch Dogs: Legion sind alte Ubisoft Fehler zurück, die so in den letzten Assassin’s Creed Spielen schon ausgemerzt wurden. Mit dem letzten Update, das auch die Bloodline Erweiterung brachte, wurde es zwar besser, aber dennoch hatte ich in Watch Dogs: Legion einfliegende NPC, feststeckende Figuren und generell einfach das Gefühl, kein besonders rundes Spiel zu spielen.

Während Assassin’s Creed Valhalla mittlerweile auf der PS5 schön optimiert wirkt, ist das bei Watch Dogs: Legion anders – vor allem beim Fahren durch die Stadt fallen viele Pop-Ups auf, teilweise verschwinden Autos weniger Meter vor einem oder tauchen dort auf, und auch optisch hat Watch Dogs: Legion auf PS5 insgesamt eher den Charakter eines höher aufgelösten PS5 Spieles – ich denke, hier ist wesentlich weniger Aufwand in die Optimierung der Next-Gen Fassung geflossen.

Abstürze oder Ähnliches, von denen man am Anfang oft las, sind mir aber nicht untergekommen, und generell flüssig läuft das Spiel bei mir auch. Was aber auch noch wie in einem Ubisoft Spiel der vorherigen Generation ist: Das NPC Verhalten, ausgerechnet in dem Spiel, in dem sie so wichtig sind. Sind Gefahren in der Nähe, hocken die NPCs für immer an der gleichen Stelle und geben immer wieder die gleichen Sprüche von sich – selbst, wenn die Situation schon Ewigkeiten vorbei sind. Generell tun die NPCs nicht besonders viel, und ein weiteres Mal bin ich besonders enttäuscht von den Londoner Parks, die bei Ubisoft einfach nur leblose Grünflächen sind.

Grüße!

Nur noch kurz das hier…

Was Watch Dogs: Legion dennoch geschafft hat: Mich immer wieder für längere Sitzungen zu motivieren. Durch die in der Stadt verteilten Technikpunkte gibt es immer mal wieder zusätzliche Auflockerungen – und genau solche Aktivitäten finde ich am spannendsten. Technikpunkte auf einem Dach, sodass ich selbst den Weg finden muss, zum Beispiel über einen Kran der benachbarten Baustelle – im Vergleich dazu sind die Missionsgebiete viel gleichförmiger gestrickt.

Das liegt auch daran, dass man für sie regelmäßig quer durch die Stadt gelotst wird – teils für jeden Teilschritt. In der Menge bringt es einem auch nichts, herumzufahren, sodass ich dann immer die Schnellreise benutzt habe, oder aber geschaut habe, ob es unterwegs doch noch was zu tun gibt. Doch auch hier hätte Watch Dogs: Legion konsistenter sein müssen.

Ein schöner Spaziergang über die Millennium Bridge!

Fazit: Ungenutzte Chancen

Watch Dogs: Legion hat mich motiviert und viele Stunden vor die PS5 gefesselt – und dass, obwohl das Spiel in so vielen Belangen nur an der Oberfläche dessen kratzt, was es eigentlich hätte sein können. Londons Potential als lebende Metropole mitten im Umbruch und voller Proteste hat Ubisoft meines Erachtens nicht genutzt – und mit NPCs gefüllt, die ausgerechnet in diesem Spiel kaum realistisches Verhalten an den Tag legen. Neben einem durchschnittlichen Deckungsshooter gibt es ein ebenso durchschnittliches Hacking-Abenteuer, in dem man zwar immer mächtiger wird, aber kaum wirklich beeindruckende Dinge lernt. Immer wieder besucht man dieselben Orte, tut dieselben Dinge oder erlebt gar fast identische Missionen – und das, obwohl einige der Hauptaufträge nette Abwechslungen bieten und auch richtig anspruchsvoll sein können. Rekrut*innen für das Team findet man spontan immer wieder welche, auch wenn man nach einigen Stunden immer wieder dieselben Eigenschaften liest. Doch die spontanen Augenblicke, in dem man jemandem Außergewöhnlichen über den Weg läuft, ganz unverhofft, sind die besten. Im Endeffekt ist es einfach schade, dass man überall sieht, wie viel mehr Watch Dogs: Legion hätte werden können, aber wie sehr die Entwicklung vermutlich rund um das Rekrut*innensystem ausgebremst wurde. Ein zentrales Element, das in einen besten Momenten beeindruckend ist, aber ansonsten nicht dafür sorgt, dass Watch Dogs: Legion sonderlich viel mehr kann als der oberflächliche Serienerstling.

ProContra
+ Rekrut*innensystem motiviert durchaus– London nur an der Oberfläche detailreich
+ Spielwelt in einigen Momenten sehr hübsch– Gameplay bleibt schal
+ Vielfältige Figuren– Viel Repetition
+ Hinter dem zentralen Spielsystem steckt viel Aufwand– NPC Verhalten wenig überzeugend
+ Umfangreiche (optische) Anpassung möglich– Viel zu häufig wird man quer durch die Stadt geschickt
– Viele technische Fehler

Technik: 75
Grafik: 78
Sound: 82
Umfang: 88
Gameplay: 66
KI: 62

Spielspaß: 61

  • Story: Eine spannende Geschichte erzählt Watch Dogs: Legion rund um ein mögliches London der nahen Zukunft durchaus – aber auch keine besonders revolutionäre.
  • Frustfaktor: Moderat vorhanden.
  • Design/Stil: Der Stil ist konsequent und gelungen, auch wenn London nur an der Oberfläche stimmig dargestellt wird.
  • Musik und Sound: Gute deutsche Synchro, die restliche Soundkulisse ist solide, aber nicht umwerfend.
  • Preis-Leistungs-Verhältnis: Für den mittlerweile günstigen Preis* kann man sich Watch Dogs: Legion auf jeden Fall anschauen.

Offenlegung

Wir haben Watch Dogs: Legion selbst gekauft.

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Manuel Eichhorn
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