Lake (Xbox) im Test – Post zustellen mit Meredith

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Wir schreiben das Jahr 1986. Computer sind gerade erst dabei, so langsam an Fahrt aufzunehmen, während VHS Geräte noch lange nicht überall Einzug gehalten haben und alles noch in den Anfängen steckt. Meredith und ich besuchen in dieser Zeit den kleinen Ort Providence Oaks und beschließen, ein bisschen Post zuzustellen. Ich habe mir von Lake die Xbox One Version auf der Xbox Series S angesehen und verrate dir, warum ich gerne Post zustelle, doch vielleicht nicht unbedingt in Providence Oaks. !B

Auf dem Bild ist eine junge Frau, die auf einer Straße steht. Im Hintergrund ist ein Berg und ein See zu sehen.

Eine Kleinstadt mit Klischees

Eigentlich wollte Meredith nur zwei Wochen von ihrem Job Pause machen und ihren Vater vertreten, der gemeinsam mit ihrer Mutter das sonnige Florida erlebt. Meredith‘ Papa ist Postbote, das bedeutet, dass wir zwei entspannte Spielwochen mit Briefen und Paketen zu tun haben werden. Ganz unter uns, das ist ein Konzept, das ich über alles lieben gelernt habe. Es ist entspannend und ruhig, es fordert nicht, sondern es gibt nur mich, die Straße und die Dinge, die ich liefern soll. Einer der Aspekte, die ich übrigens so sehr entspannend an Death Stranding fand. Allerdings gibt es ein paar gravierende Unterschiede zwischen den beiden Spielen.

Providence Oaks ist eine ganz, super typische, klischeehafte amerikanische Kleinstadt mit ganz doll klischeehaften Charakteren. Da gibt es die Jugendliche, die eigentlich gerne alles hinter sich lassen würde. Und die Musikerin, die ihre Karriere nach der Schule an den Nagel hing, um sich um die Kinder zu kümmern. Und Meredith, die nach 20 Jahren wieder in das Dorf ihrer Kindheit zurückkehrt. Zusätzlich gibt es eine verdrehte Katzenoma und einen geheimen Ring halbböser Machenschaften. Alles ganz schön klischeehaft in Lake und Providence Oaks.

Doch genau das mag ich. Ich liebe die Atmosphäre, die die Stadt versprüht – auch wenn die Straßen, Häuser und NPCs teilweise super leblos wirken. Die Fenster spiegeln nicht, sind nur hellblau und zeigen kein Leben dahinter. Es sind einfach nur Kulissen, die die Straßen säumen: Deswegen kann ich auch die meisten Pakete nicht zustellen, sondern lege sie nach dem Klingeln auf der Türmatte ab. Das wirkt zum Ende hin ziemlich langweilig, weil einfach so gut wie keiner mehr zu Hause ist. Hier fehlen mir ein paar andere Charaktere, die für Leben sorgen. Auch sehe ich auf der Straße nie die Leute, denen ich Pakete bringe. Stattdessen immer nur NPCs, was aber auch erklärt, dass die nie zu Hause sind, um ihre Pakete entgegen zu nehmen.

Dafür mag ich manche Pakete. Eines hat mich ganz schön ins Grübeln gebracht: Ich habe zu einer ziemlich verwahrlosten Hütte im Wald, in der offensichtlich auch keiner mehr wohnt, ein Paket gebracht, das vom Aussehen her eine Kettensäge beinhaltete. Schade, dass genau diese Story nicht weitergesponnen wurde. Stattdessen sind andere Gespräche eher seltsam: Beispielsweise wird mir Alkohol angeboten, den ich ablehne und wenige Sekunden später hab ich trotzdem einen Becher in der Hand. !B

Und dann löst sich der Greifvogel einfach auf

Die ersten Tage in Providence Oaks sind schön. Ich kenne den Anfang bereits, da ich beim Playtest auf Steam teilgenommen habe, deswegen kann ich sagen: Hier hat sich technisch nicht wirklich viel getan, was wirklich schade ist. Stattdessen habe ich das Gefühl, dass hier noch ein bisschen mehr verloren gegangen ist. Neben aufploppenden Bäumen und Häusern, gibt es auch Schatten, die verschwinden und ein Weizengras, das definitiv nur als gruselig beschrieben werden kann. Und das ist irgendwie nicht alles.

Providence Oaks ist durchgescriptet, ohne Ende. Ich habe einen Morgen einen Fuchs gesehen, der über die Straße lief. Am nächsten Morgen bin ich an derselben Stelle nochmal langgefahren, nur um den Fuchs erneut zu sehen. Ebenso gibt es einen großen Greifvogel, der mal zum See, mal von ihm weg fliegt, doch egal, in welche Richtung er fliegt, irgendwann kommt immer der Moment, an dem er sich einfach in Partikel auflöst und verschwindet. Vielleicht hat Lake aber auch einfach zwei magische Tierwesen, die es beschützen, die nur noch keiner gesehen hat. Wer weiß das schon so genau.

Technisch gesehen ist Lake sehr schwach, da können auch die hübschen Herbstbäume nichts dagegen tun, ebenso wenig wie meine Vorliebe für Postspiele. Bevor Indiegames cool wurden, haben wir diese Spiele als Low-Budget-Titel bezeichnet, weil sie nicht so aufpoliert waren wie die großen Titel. Ich glaube, ich würde Lake auch heute noch als ein solches Spiel bezeichnen. Vielleicht hätte es lieber noch ein halbes Jahr verschoben werden sollen, damit nochmal nachgebessert werden kann. Alternativ parke ich eben wieder mitten in einem Baum.

Lake könnte so ein schönes Spiel sein, wenn es technisch einfach runder wäre und hier und da noch ein bisschen mehr Story hätte. Theoretisch kann ich nämlich auch alle Geschichten im Spiel einfach unterbinden, in dem ich einfach nein sage und ganz stur meine Post zustelle. Dann ist es noch ein bisschen schneller vorbei und ich kann mich ganz darauf konzentrieren, ob Meredith hier bleibt oder doch wieder in die große Stadt fährt.

Das Voice Acting in Lake kann ich als okay-ish bezeichnen, während die Gesichert jedoch keine Animationen zeigen und nicht einmal lippensynchron sind. Das ist schade. Dazu fällt mir spontan noch der Radiosender ein, der ebenso durchgeplant ist wie Fuchs und Greifvogel, denn hier kommt zu jeder Zeit das gleiche Lied. Es scheint einfach eine feste Playlist zu sein, die hier gespielt wird. Ich weiß, dass Radiosender meistens nicht sonderlich kreativ in der Auswahl sind, aber das fand ich irgendwann nicht mehr ganz so entspannend, dass ich das Radio einfach ausgelassen habe. !B

Der Beginn der Zukunft

1986 ist nicht nur ein Jahr, in dem es viele große technische Errungenschaften gibt, sondern auch eines, in dem ich eine Protagonistin habe, deren Sexualität ich ganz allein bestimmen kann. Ich habe mich dazu entschlossen, meine Meredith bisexuell zu machen, einfach weil ich die Möglichkeit super fand, dass das geht. Trotzdem bin ich von den Beziehungen im Spiel eher enttäuscht.

Ich habe zunächst mit einer Frau geknutscht, die mich dann auch Babe nannte – und einfach beschloss, ihren Laden in Providence Oaks dicht zu machen und mich sitzen zu lassen. Meine zweite Beziehung entwickelte sich eher nebenbei, fühlte sich jedoch nicht ganz so frei an wie die erste. Irgendwie fühlte es sich fast erzwungen an und so, als wollte man unbedingt mindestens zwei Love Interests ins Spiel packen.

Und obwohl Providence Oaks in Lake so eine klischeehafte Kleinstadt ist, fehlte mir ein bisschen mehr Zugehörigkeit. Wo war der wöchentliche Bingoabend? Warum wurde kein Stadtfest integriert? Warum sind einige Läden – besonders der Club auf der Main Street – so belanglos, obwohl sie von so vielen Abenteuern sprechen? Wieso scheint die Sonne während es regnet? Warum sieht der See aus wie eine komische gefaltete Folie? Warum stecken Bäume in Hügeln? Wieso nutzen die NPCs keine Zebrastreifen?

Und dann gibt es noch den Verkehr. In Lake habe ich ein klassisches Postauto, um alle Sendungen zuzustellen. Coolerweise passt es die Geschwindigkeit automatisch an, sodass ich innerhalb der Stadt langsamer fahre als auf der Straße, die um den See herumführt. Das ist cool und auch gut gemacht. Netterweise hält mein Auto auch an, wenn ich auf einen Menschen zufahre. Besagter Mensch hat dann jedoch nie das Bedürfnis, schneller über die Straße zu gehen. Andere Autos neigen dazu, zu warten, wenn ich ungünstiger Weise die Straße blockiert habe. Sobald ich wegfahre, fahren sie auch weiter. Manchmal stecken die anderen Autos aber auch einfach in meinem Wagen fest. Außerdem doppeln sich die NPCs viel zu häufig. Übrigens kann mein Auto keinen Schaden nehmen: Ramme ich ein anderes Auto, federe ich einfach ab. !B

Fazit: Bleibe ich Postfrau?

Ich habe mich in Lake dazu entschieden, in Providence Oaks zu bleiben und weiter die Post zuzustellen, weil ich das Konzept sehr entspannend und beruhigend finde. Nur die Straße, die Post und ich. So etwas gefällt mir, doch leider überschattet die Technik das für mich stimmige Gesamtpaket mitsamt klischeehafter amerikanischer Kleinstadt. Lake hätte definitiv mehr Zeit gebraucht, damit zumindest die grafischen Fehler verschwinden, und dann vielleicht noch ein bisschen Zeit, um der Kleinstadt noch mehr Leben einzuhauchen und die eine oder andere Geschichte mehr noch hinzuzufügen. Ich hatte trotzdem meinen Spaß mit Lake, doch nicht jede/-r wird mir dabei zustimmen, dafür ist es technisch zu unrund und gespickt mit verschwindende Greifvögel, die sich im Licht der Abendsonne in Luft auflösen. Wenn du den Game Pass hast, kannst du gerne einen Blick selbst drauf werfen.

ProContra
+ Postzustellung macht mir Spaß– Aufploppende und verschwindende grafische Elemente, grafische Fehler und doppelte NPCs
+ Radiosender hat tolle Musik…– … die schnell eintönig wird
+ An sich schöne klischeehafte Kleinstadt…– … der es jedoch stellenweise an Leben mangelt
+ Postauto passt Geschwindigkeit automatisch an– Bäume und Autos clippen durch mein Postauto
+ Ruhiges, entspannendes Gameplay– Leben in Providence Oaks ist gespickt mit Scripts
+ LBTQIA+-Beziehungen möglich– Voice Acting nicht lippensynchron
– Gesichter der Charaktere eher emotionslos
– Manche Gespräche sind seltsam
– Ein bisschen mehr Leben hätte Providence Oaks gutgetan, von Events bis hin zu mehr Geschichten

Technik: 58
Grafik: 40
Sound: 58
Umfang: 63
Gameplay: 70
KI: 60

Spielspaß: 70

  • Story: Du spielst Meredith, die für zwei Wochen den Postjob ihres Vaters übernimmt und erlebst dabei eine typische amerikanische Klischeekleinstadt.
  • Design/Stil: Immerhin zieht sich der Stil durch, allerdings ist Lake gespickt mit vielen verschiedenen grafischen Fehlern, die den Eindruck des Spiels schmälern.
  • Musik und Sound: Das Voice Acting ist ganz okay, die Musik wiederholt sich zu schnell und zu oft.
  • Frustpotential: Mich frustriert bei solchen Spielen immer wieder, dass die Technik nicht so passt wie sie passen sollte.
  • Preis-Leistungs-Verhältnis: Mit 19,99 € finde ich den Preis für Lake angemessen, zumindest für die Spielzeit, die man bekommt.

Offenlegung

Ich habe Lake in der Xbox One Version auf der Xbox Series S durch den Game Pass Ultimate spielen können.

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Beatrice Eichhorn
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