Viele Spiele fordern von einem immer nur, dass man sich schnell von A nach B bewegt, dass an einem schnellen Schusswechsel teilnimmt oder irgendwie fix reagiert, nicht so The Longing. Ich habe mir das ruhige Spiel angesehen und einige Stunden Zeit mit dem Schatten verbracht. Was ich dabei gelernt habe, verrate ich euch in meiner Review zu The Longing.
Du hast 400 Tage
The Longing beginnt damit, dass dir der König tief unter der Erde erklärt, dass er jetzt 400 Tage schlafen wird und dass du als Schatten die große Aufgabe hast, ihn zu wecken, wenn diese Zeit rum ist. Und damit beginnen deine 400 Tage, die in Echtzeit ablaufen, und in denen du praktisch machen kannst, was du willst. Dafür stehen dir einige Möglichkeiten zur Verfügung, so kannst du zum Beispiel echte Bücher wie Moby Dick lesen, um dir die Zeit zu vertreiben. Oder du malst die ganze Zeit. Oder du erkundest das Königreich unter der Erde und findest jede Menge cooler Dinge, die du mit in deine eigene kleine Höhlen nehmen kannst.
Tatsächlich bist du in The Longing auf dich allein gestellt, denn niemand wird dir sagen, was du zu tun hast. Wenn du dich nicht selbst beschäftigen kannst, ist das Spiel eher nichts für dich. Wenn du jedoch mit dem kleinen Schatten zusammen das Reich unter der Erde erkunden möchtest, ist es genau das richtige Spiel für dich. Zudem kannst du das Ganze auch abkürzen, in dem du dem Königreich entfliehst. Gute Schatten halten jedoch Wort und tun das, was ihnen aufgetragen wurde. Zudem wirkt The Longing sehr entschleunigend, denn du kannst nicht hetzen. Du kannst nicht einfach vorspulen und sofort 400 Tage erlebt haben. Du musst sie mehr oder weniger vollends erleben, was ein sehr interessantes Konzept bildet – natürlich gibt es Techniken, um die Zeit ein bisschen zu beschleunigen, aber ich spoilere hier nicht.
Übrigens: The Longing läuft weiter, auch wenn du nicht im Spiel eingeloggt bist. Der Schatten wird in der Zwischenzeit nichts tun, außer schlafen und auf deine Rückkehr warten, was anderes hat er eh nicht vor. Ein bisschen ist das wie in STAY, nur mit dem Unterschied, dass dich der Schatten nicht hassen wird, wenn du ihn einmal über einen längeren Zeitraum alleine lässt. Man kann The Longing auch super nebenbei laufen lassen, denn während ich diese Review schreibe, wandere ich nebenbei durch die Hallen der Ewigkeit, auf der Suche nach neuen Büchern oder Gegenständen. Wenn du übrigens nicht weiter weißt oder keine Idee mehr hast, was du noch tun kannst, so schau doch mal im Bücherregal vorbei, eines der Bücher dort verrät dir mit Sicherheit mehr. Schade ist nur, dass die Bücher nicht auf Deutsch zur Verfügung stehen, was jedoch aufgrund von Copyrights bestimmt einiges an Herausforderung darstellt.
Die Einsamkeit ist erdrückend
Wie ich schon schrieb, bist du in The Longing auf dich allein gestellt. Du hast niemandem, mit dem du oder dein Schatten reden könnten. Du hast lediglich die Gedanken des Schattens, die nicht sonderlich positiv sind. Sie sind erdrückend. Sie sind finster, sehr, sehr, sehr finster. Beispielsweise gibt es in einer der Höhlen Wasser, der Schatten kommentiert das damit, dass die Pfützen nicht tief genug sind, um sich zu ertränken. Das ist auf der einen Seite realistisch, dass der Schatten so denkt, aber auf der anderen Seite könnte es auch triggernd wirken, diese ganze Negativität.
Vielleicht ist jedoch genau das Konzept das Geheimnis, denn immer wieder kehre ich zu The Longing zurück. Ich schaue, wie es meinem Schatten geht und hoffe, dass er noch da ist. Dass er nicht verschwunden ist. Doch er ist da, jedes Mal, und wartet auf mich. Ich kann leider nicht mit ihm reden, aber ihm scheint meine bloße Anwesenheit schon auszureichen, um ihm zu zeigen, dass ich da bin. Ich habe das Gefühl, dass mein Schatten ein lebendiges Wesen ist, das ich nur nicht füttern muss, aber das mich braucht und das auf mich angewiesen ist. So habe ich in kürzester Zeit eine Bindung zu einem virtuellen Wesen aufgebaut und möchte es nie wieder alleine lassen.
Passend dazu sorgt der Soundtrack übrigens für die richtige Stimmung: Dumpf und einsam klingt es. So wie das Königreich unter der Erde. So wie mein kleiner Schatten, der auf Gesellschaft hofft und darauf, dass die Zeit vergeht und er den König wieder wecken kann. Dennoch wünsche ich mir, dass ich mehr mit meinem Schatten interagieren kann, dass ich ihn streicheln, ihn füttern oder direkt mit ihm reden kann, um ihm zu zeigen, dass er nicht ganz allein ist. Dass ich auf ihn aufpasse. Und ich wünsche mir, dass er mehr von mir einfordert, denn er merkt ja, wenn ich da bin.
Die Düsternis der Dunkelheit
The Longing spielt in einem Königreich tief unter der Erde und du steuerst einen kleinen Schatten. Genauso ist auch der grafische Stil des Spiels, denn alles wirkt sehr düster und finster. Ich habe meinen Laptop (*gasp* Du spielst am Laptop?!?!) normal immer auf der niedrigsten Helligkeit eingestellt, weil es mir sonst zu hell ist, doch The Longing war so düster, dass ich es heller stellen musste. Glücklicherweise kommt das Spiel mit einer eigenen Helligkeitseinstellung, sodass ich hier doppelt unterstützen konnte. Allerdings ist der Stil nicht schlecht, er passt sogar sehr hervorragend zum einsamen Setting und der Finsternis, die meinen Schatten von innen verschlingen mag.
Doch nicht alles ist in The Longing wirklich düster, denn es gibt auch schöne Räume voller Kristalle oder Gold, sodass alles in einem anderen Licht erstrahlt. Schade nur, dass mein Schatten dafür kein Auge übrig hat, sondern in seiner Finsternis festhängt. Apropos, festhängen: Manchmal hängt der Schatten für kleine Augenblicke an den Ecken bei den Treppen fest, doch er fängt sich in der Regel wieder von allein.
Die Steuerung von The Longing ist übrigens sehr spannend, denn ich kann mich im Grunde für mehrere Wege entscheiden. So kann ich zum Beispiel die Maus oder die Leertaste dauerhaft gedrückt halten, um den kleinen Schatten direkt steuern zu können. Oder ich doppelklicke irgendwohin und lass ihn automatisch laufen. Oder ich setze mir Markierungen und lass ihn dann dort automatisch hin laufen, so kann ich ihn übrigens auch direkt in seine eigene Höhle schicken. Das ist praktisch und lässt mich zum Beispiel diese Review nebenbei schreiben.
Fazit: Ich liebe die Einsamkeit und meinen Schatten
Ich liebe die Einsamkeit in The Longing. Ich liebe, dass es ein Spiel ist, das mich entschleunigt. Das mich dazu zwingt, auf mich zu hören und vielleicht auch mal wirklich in Ruhe ein Buch zu lesen, denn damit habe ich häufig Schwierigkeiten, sodass ich kaum zur Ruhe komme. Doch The Longing zwingt mich dazu. Es gibt mir zudem die Möglichkeit, mir selbstständig Ziele zu setzen. Male ich heute nur Bilder mit meinem Schatten oder starre ich mit ihm einfach nur Löcher in die Luft? Hauptsache, ich bin bei ihm und verbringe Zeit mit ihm, damit er nicht vollends einsam ist.
The Longing folgt einem sehr spannenden Konzept, denn ich muss irgendwie 400 Tage rumbekommen, bis ich den König tief unter der Erde wieder wecken darf. Bis dahin bleibt mir jede Menge Zeit und Dinge, die ich tun kann. Das Spiel gibt mir nicht vor, was ich zu tun habe, sondern ich kann ganz selbst entscheiden und mir eigene Ziele setzen. Auch wenn ich nicht eingeloggt bin, läuft die Zeit weiter. Es ist ein Konzept, das jedoch auch abschreckend wirken kann, vor allem im Hinblick auf die negativen Gedanken des Schattens, dennoch ist es ein Spiel, das mich animiert und mir das Gefühl gibt, dass ich den Schatten nicht alleine lassen darf, denn der Schatten ist wie ein Freund für mich geworden – oder ich wurde zu einem Freund für ihn.
Wer auf schnelle Spiele mit viel Inhalt hofft, ist hier definitiv an der falschen Adresse. Wer jedoch auf sich selbst achtet und sich auf ruhige Spiele einlassen möchte, dem ist The Longing sehr ans Herz zu legen.
Pro | Contra |
---|---|
+ Interessantes Konzept… | – … das jedoch auch abschreckend wirken kann |
+ Guter Soundtrack | – Zeitaspekt |
+ Überwältigung der Einsamkeit | – Überwältigung der Einsamkeit |
+ Man kann echte Bücher lesen | – Wenige Interaktionen möglich |
+ Sehr gute Atmosphäre | – Bücher nicht auf Deutsch |
Technik: 84
Grafik: 89
Sound: 90
Umfang: 87
Gameplay: 76
KI: 80
Spielspaß: 86
- Story: Du hast 400 Tage Zeit, die du irgendwie rumbringen musst, bis du den König tief unter der Erde wieder aufwecken kannst.
- Frustfaktor: Am Anfang vielleicht, um sich mit der Geschwindigkeit von The Longing vertraut zu machen, danach nicht mehr.
- Nachhaltigkeitswert: Ich hoffe doch sehr, dass man noch einige Jahre über dieses zauberhafte Spiel spricht.
- Design/Stil: Super düster, aber super passend zum gesamten Setting.
- Musik und Sound: Ein melancholischer Soundtrack, der die Stimmung im Spiel sehr gut und passend untermalt.
- Preis-Leistungs-Verhältnis:The Longing kostet 14,99 €, was für mich ein sehr angemessener Preis ist. Jedoch kann ich verstehen, wenn das für einige zu teuer ist. Ich denke, dass man vielleicht mit 10 € mehr Spieler erreichen würde.
Offenlegung
Wir habe The Longing für Steam kostenlos vom Publisher erhalten.