Disaster Report 4: Summer Memories (Switch) im Test – Naht das Ende?

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Stell dir vor, du bist in einer fremden Stadt, weil du hier den Weg für deine Zukunft ebnen möchtest. Du bist auf dem Weg zu einer Verhandlung, vielleicht auch zu einem Vorstellungsgespräch – und plötzlich zerreißt ein schreckliches Erdbeben alles. Genau dieser Idee folgt Disaster Report 4: Summer Memories. Ich habe mir den Titel für euch euch der Switch angesehen und verrate euch, ob sich der Kauf für euch lohnt.

Und dann steckst du mitten in der Krise

Disaster Report 4: Summer Memories lässt den Spieler in eine schwierige Situation laufen: Während ich einfach auf dem Weg zu einem Termin bin, geschieht ein großes Unglück und ich befinde mich mitten in einer Stadt, die von schrecklichen Erdbeben heimgesucht wird. Wie handle ich? Rette ich nur mich oder kümmere ich mich um andere? Wie würde ich mich denn in einer solchen Situation entscheiden? Wie würde ich handeln? Und tatsächlich kann ich bestimmte Entscheidungen treffen und wählen, was ich tun würde. Als gute Hufflepuff entscheide ich mich dazu, den anderen zu helfen, wo ich nur kann und nicht nur mich in Sicherheit zu bringen.

Wenn denn dann solche Entscheidungen nur wirklich einen Einfluss hätten. Wenn ich wirklich einen Impact hätte und wenn ich vielleicht tatsächlich in einer offenen Stadt unterwegs wäre und hier und da helfen kann. Stattdessen befinde ich mich in einer ziemlich linearen Situation, die mit Scripts nur so um sich wirft. In der Regel ist die Stadt nun in kleine Gebiete unterteilt, die natürlich zu allen vier Seiten jeweils abgetrennt sind, sodass ich mich nicht frei bewegen kann. Spreche ich jedoch mit den Passanten und bringe jemandem beispielsweise Klopapier und verlasse das Gebäude wieder, wird natürlich plötzlich ein Script ausgelöst, sodass ein weiteres Haus umfällt und ich somit weiter gehen kann.

Diese ganze Mechanik fühlt sich so alt an. Vielleicht wäre das ein Konzept gewesen, was ich noch zu Beginn der Konsolengeneration annehmbar gefunden hätte, doch zum Ende der Generation wünsche ich mir Freiheiten. Dass meine Entscheidungen wirklich auch Entscheidungen sind. Denn hier sind sie es nicht. Im Laufe des Spiels spricht mich ein Mann an und fragt, ob ich einen anderen Mann gesehen habe. Dieser läuft im Hintergrund gerade vorbei und ich gebe ihm an, in welche Richtung er gelaufen ist. Später treffe ich auf den Mann, der weglief – und ich lüge ihn an, in dem ich ihm sage, dass ich dem anderen Mann die falsche Richtung gesagt habe. Die richtige Option konnte ich ihm gar nicht nennen. Als ob meine Entscheidung nie stattgefunden hätte. So etwas ist schade, gerade zu Zeiten, in denen ich in anderen Spielen wirklich den Verlauf komplett ändern kann.

Disaster Report 4: Summer Memories sollte in mir ein Gefühl der Hilflosigkeit wecken, stattdessen scheine ich die einzige zu sein, die in dieser Krise überhaupt etwas tun kann. Die anderen sind nicht wirklich hilfreich, doch dazu gleich mehr.

Gelungenes Charakterdesign?

Was mich von Anfang an in Disaster Report 4: Summer Memories überrascht hat, war das Charakterdesign. Die einzelnen Charaktere wirken sehr realistisch und die Mimiken und Gesten erinnern mich ziemlich stark an japanische Serien, weil sie einfach übertrieben perfekt sind. Doch so sehr ich dieses Design wirklich schätze und mag, so sehr wirkt es dennoch sehr karikiert, als würden die Figuren die Situation nicht wirklich ernst nehmen und so frage ich mich, ob ich nicht eigentlich gerade eine Parodie auf eine Umweltkatastrophe spiele. Denn obwohl ich die Charaktermodelle wirklich gut finde, so zweifle ich an der Intelligenz eben jener Charaktere.

So scheinen die gescripteten Erdbeben nur direkt mich zu beeinflussen, denn ich falle zum Beispiel auf meinen Hintern, wenn ich mich nicht ducke. NPC jedoch finden das schon ein bisschen aufregend, wechseln dann aber ziemlich schnell wieder in ihre normale Animation zurück, in der sie vor dem Beben auch waren. Es wirkt ein bisschen wie „Oh mein Gott, wir werden alle ster… Oh, guck mal, ein Schmetterling.“ Und das geht absolut nicht. Ich kann nicht auf der einen Seite vorgaukeln, dass sich alles geändert hat, wenn dem überhaupt nicht so ist und trotzdem alle ihrer normalen Tätigkeit wieder nachgehen, wenn sich der Staub des herabstürzenden Hauses noch nicht mal gelegt hat.

Und genauso unglaubwürdig wie die NPC wirken, so nutzlos sind sie auch. Ich treffe keinen NPC, der wenigstens irgendwie mit anpackt. Stattdessen überlegen diese Charaktere wie sie beispielsweise die neue Lieferung jetzt ins Haus bekommen oder ob hier noch ein Bus fährt. Ich weiß nicht, ob Japaner vielleicht am Ende so wären, aber ich glaube es einfach nicht, wenn man an ältere Umweltkatastrophen in Japan denkt. Und so kann es irgendwie nicht sein, dass ich der einzige Mensch mit Verstand in diesem Spiel bin und versuche, die halbe Welt zu retten – die sich nicht mal retten lassen will, da ich nur vorbestimmte Charaktere überhaupt schützen und retten kann. Ich kann also nicht meinem Traum und meiner Grundidee folgen und so viele Menschen wie möglich aus dieser Misere befreien.

Bin ich emotionslos?

Disaster Report 4: Summer Memories sollte in mir ganz verschiedene Gefühle wecken, die ich, denke ich, in einer solchen Situation empfinden würde: Hilflosigkeit, Angst, Einsamkeit. Doch der Titel schafft es nur in ganz wenigen Situationen, dass ich das Gefühl habe, wirklich in dieser Sache drin zu stecken. So richtig packt es mich genau dann, wenn sie de wunderbaren Soundtrack einspielen, der eine tiefe und traurige Melodie spielt und mich wieder daran erinnert, in welcher Situation ich eigentlich bin. Es gibt Szenen, in denen ich Angst empfinde, in denen sich dann jedoch nicht die Entwickler trauen, die angedeutete Szene wirklich umzusetzen. Nicht, dass ihr mich falsch versteht, das wünsche ich keinem, aber ich denke, dass ich diesen Moment in der Realität nicht überlebt hätte. Stattdessen kann ich mich ziemlich einfach an allen Gefahren vorbei schleichen.

Ich frage mich, ob es an mir liegt – oder ob die Entwickler nicht mutig genug waren, das Bild der Zerstörung wirklich zu zeichnen. Die Abgründe der Menschheit besser darzustellen. Das hat sogar seiner Zeit ein The Last of Us deutlich besser hinbekommen, auch wenn es ebenfalls Schwächen aufwies. Doch ich komm bei Disaster Report 4: Summer Memories einfach nicht umhin zu denken, dass ich in einer Parodie bin. Eine Parodie auf die Katastrophe und auf Videospiele selbst.

Klar, manche der gezeigten Schicksale sind schon schlimm, aber ich kann keine Bindung zu den Charakteren aufbauen. Ich kann die NPC nicht ernst nehmen, die in einem Haus, das untergeht, auf der Couch sitzen und sich freuen, was sie für eine schöne Wohnung haben. Da läuft irgendwas schief. Und ich kann mich somit auch nicht wirklich mit den NPC in irgendeiner Weise identifizieren.

Diese Frage stellen wir uns aktuell selbst sehr häufig.

Die Technik in der Krise

Disaster Report 4: Summer Memories schafft es jetzt erst in den Westen und ist somit schon ein kleines bisschen älter, doch irgendwie fühlt es sich technisch gesehen eher an, als würde ich eine überarbeitete PS2 Version von etwas spielen. Ich ging bereits auf so vieles ein, doch auf die technische Seite der noch nicht. Ich habe Disaster Report 4: Summer Memories auf der Nintendo Switch gespielt und die Performance war immerhin durchgehend gut, auch wenn es in wenigen Situationen zu Einbrüchen der Framerate kommt. Doch sonst weist der Titel so viele Schwächen auf. Ich kann zum Beispiel meinen Charakter mehr oder weniger selbst zusammenstellen. Weil ich rote Haare schön finde, gab ich ihr rote Haare. Das sah im Erstellmodus auch wirklich schön aus, im richtigen Spiel wirkte es allerdings wie ein Helm. Das ist schade, dabei gibt es viele schöne Frisuren und Haarfarben.

Cool wiederum finde ich die Möglichkeit, verschiedene Outfits zu finden. Die haben zwar fast nie einen Einfluss auf die Geschichte, sind aber immerhin ganz nett anzusehen. Leider wie die Kompasse. Ich finde an jeder Ecke im Spiel verschiedene Kompasse, die allerdings auch keinerlei Nutzen haben und die ich somit einfach nur sammeln kann. Sammelfreunde haben also immerhin auch etwas. Schade ist generell die Programmierung der NPC. Diese laufen in manchen Gebieten einfach nur im Kreis, um eine bewegende Masse darzustellen. Prinzipiell kann ich in sie hineinlaufen oder sogar durch sie hindurchklettern. Auch das ist kein Standard mehr von heute. Nochmal: Zum Anfang der Konsolengeneration wäre das vielleicht annehmbar, aber nicht mehr zum Ende hin.

Fazit: Lieber ohne mich

Disaster Report 4: Summer Memories schickt dich in ein interessantes Szenario, bleibt aber längst hinter den selbst gesetzten Erwartungen zurück: Es suggeriert zu Beginn, dass man Entscheidungen treffen kann, die Auswirkungen auf die Story haben, doch am Ende ist es nur ein lineares Ablaufen von Gebieten und Leveln, die von Scripts und nutzlosen NPCs nur so wimmeln. Obwohl es wirkt, als hätte ich eine offene Welt und könnte freie Entscheidungen treffen, bin ich an die Vorgaben des Spiels gebunden, sodass ich keinerlei Freiheiten habe und trotz allem der alles entscheidende Charakter bin, der die Welt aus der Misere retten soll. Disaster Report 4: Summer Memories erinnert eher an ein Spiel aus einer längst vergangenen Zeit, besonders hinsichtlich der Scripts und der NPC, die trotz der Katastrophe ihrem ganz normalen Alltag nachgehen und so wirken als hätten sie nicht einmal eine künstliche Intelligenz erhalten.

Es ist schade, denn die Idee von Disaster Report 4: Summer Memories ist ziemlich gut. Es wäre eine gute Simulation für einen möglichen Ernstfall, doch es ist ein technisch veraltetes Spiel, das sich selbst nicht ganz ernst nimmt und am Ende fast schon wie eine Parodie auf Katastrophen und Videospiele wirkt. Dafür punktet der Titel immerhin mit einem guten Charakterdesign und einem tollen Soundtrack, doch beides kann am Ende leider nicht wirklich dazu beitragen, dass wir es hier mit dem großen neuen Blockbuster zu tun bekommen. Sehr schade.

ProContra
+ Guter Soundtrack– Suggeriert eine offene Welt mit Entscheidungen
+ Realistische Charaktermodelle– Viel zu linear
+ Interessantes Szenario– Es wird zu viel mit festen Scripts gearbeitet
+ Viele Frisuren und Haarfarben– NPC sind oft nutzlos, Protagonist scheint einzige denkende Person zu sein
– Technik wirkt sehr stark veraltet
– Haare und Haarfarben wirken wie Helme
– Ich clippe durch NPC
– Keine Bindung an Situation oder NPC möglich, der Ernst der Lage wird nicht deutlich
– Entscheidungen haben keinen wirklichen Einfluss auf etwas

Technik: 55
Grafik: 67
Sound: 84
Umfang: 53
Gameplay: 41
KI: 30

Spielspaß: 40

  • Story: Du bist auf dem Weg zu einem Termin, als ein schreckliches Erdbeben die Stadt heimsucht.
  • Frustfaktor: Nicht unbedingt, nur dann, wenn man manchmal nicht weiter weiß.
  • Nachhaltigkeitswert: Leider nicht vorhanden.
  • Design/Stil: Besonders die Charaktermodelle sind gut gewählt.
  • Musik und Sound: Die gesungenen Lieder sind klasse.
  • Preis-Leistungs-Verhältnis: 59,99 € finde ich auf der Switch zu viel für den Titel. Er ist linear und hat im Vergleich zu anderen japanischen Spielen eine relativ kurze Spielzeit. Zwischen 30 oder 40 € sollte der Preis eher liegen.
  • Akkuverbrauch: Disaster Report 4: Summer Memories benötigt für eine Spielstunde etwa 45 % Akkuleistung.

Offenlegung

Wir haben Disaster Report 4: Summer Memories vom Publisher kostenlos erhalten.

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Beatrice Eichhorn
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